Schleswig-Holstein will die Marschbahn nach Sylt elektrifizieren

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Kiel/Sylt | Nach den Bahnlinien von Hamburg nach Lübeck, Kiel und Flensburg soll nun endlich auch Schleswig-Holsteins letzte große Nord-Süd-Strecke eine Strom-Oberleitung erhalten: Landesverkehrsminister Bernd Buchholz hat sich entschlossen, in der Regie des Landes die Marschbahn nach Sylt zu elektrifizieren – auch wenn der Bund das in seinem Verkehrswegeplan gar nicht vorsieht. „Ich will die Elektrifizierung der Marschbahn“, sagt der FDP-Mann gegenüber shz.de. „Das ist eines der wichtigsten Schienenprojekte im Land.“

Das ist eines der wichtigsten Schienenprojekte im Land.Bernd Buchholz, Verkehrsminister in Schleswig-Holstein

Nachdem Buchholz’ Bundeskollege Andreas Scheuer die Elektrifizierung der Strecke nach Sylt gerade erst mal wieder auf Anfrage der Grünen im Bundestag wegen „der geringen Nachfrage im Schienengüterverkehr und im Personenfernverkehr“ abgelehnt hat, will Buchholz den Fahrdraht nun aus Mitteln für Nahverkehrsprojekte bezahlen, genauer gesagt aus dem jüngst stark vergrößerten Topf des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes. Die Strecke Jübek-Husum will er dabei gleich mitelektrifizieren, weil der Bahnstrom dann günstiger nach Nordfriesland fließt.

Zwar müsste das Land bei diesem Finanzierungsweg mindestens ein Zehntel der voraussichtlichen Projektkosten von 400 Millionen Euro selbst tragen – doch den Löwenanteil würde auch dann der Bund beisteuern. „Bei einer Mitfinanzierung durch den Bund in Höhe von 90 Prozent schätzen wir die Chancen für eine Elektrifizierung der Marschbahn als relativ hoch ein“, sagt Buchholz.

Weder die Autozüge noch der Nationalpark stehen im Wege

Bestärkt sieht sich der Minister durch eine neue Studie, die er in Auftrag gegeben hat und deren Details er bald vorstellen will. Die hat nicht nur die Kosten ermittelt, sondern auch ergeben, dass der Bau einer Oberleitung zwischen Itzehoe und Sylt machbar ist. Weder der Betrieb der Autozüge auf dem Hindenburgdamm noch die Schutzvorschriften für den Nationalpark Wattenmeer stehen demnach einer Elektrifizierung im Wege.

Zwar lässt Buchholz noch weitere Umweltstudien vornehmen – doch treibt er das Projekt zugleich voran: „Parallel dazu werden Arbeitsgruppen eingerichtet, die die weiteren Planungsschritte für das Bauvorhaben vorbereiten“, kündigt er an.

Die Fahrzeit der Fernzüge nach Sylt würde sich verkürzen

Bisher reicht der Fahrdraht auf der Marschbahn nur von Hamburg bis Itzehoe. Eine Elektrifizierung der ganzen Strecke bis Sylt hätte gleich zwei Vorteile: Die Loks würden dort keinen rußigen Diesel mehr ausstoßen. Und die bisher dreieinviertel Stunden dauernde Fahrt von Fernzügen zwischen Hamburg und Sylt ginge fast eine Viertelstunde schneller, weil in Itzehoe der Wechsel zwischen Elektro- und Dieselloks entfiele.

Bis 1995 war Schleswig-Holstein Schienen-Entwicklungsland: Es gab keine einzige Oberleitung. Noch heute steht das Land schlecht da: Nur 29 Prozent der Gleise sind elektrifiziert, weniger sind es nirgends in der Republik. Zu wenig Verkehr, lautet heute wie damals der lapidare Einwand des Bundes gegen mehr Oberleitungen. Dass schon der Klimaschutz für E-Loks spricht, ignoriert Berlin.
Es ist daher ebenso löblich wie überfällig, dass nun der Kieler Verkehrsminister Bernd Buchholz teils auf Kosten des Landes die letzte große nicht elektrifizierte Strecke, die Marschbahn, mit einem Fahrdraht ausrüsten will – umso mehr, als es dort Strom im Überfluss gibt. Es ist ja absurd, dass an der Westküste noch immer Windstrom für hunderte Millionen Euro im Jahr unterdrückt werden muss, weil er keine Abnehmer findet – und zugleich weiter dreckige Dieselloks auf der Marschbahn fahren.

Quelle: „Schleswig-Holstein will die Marschbahn nach Sylt elektrifizieren“/shz.de vom 30.04.2021

Text: Henning Baethge