440 000 Einwohner immerhin leben zwischen Heide und Esbjerg im Einzugsbereich der Bundesstraße 5 und ihrer dänischen Verlängerung, der A 11. Doch trotz ihrer nicht ganz geringen Zahl sehen sich die Menschen verkehrsmäßig beiderseits der Grenze im Abseits.
Wie langsam man auf der Strecke vorankommt, beweist schlicht, aber eindringlich „Google Maps“. Gibt man die Route zwischen den beiden Städten dort ein, schickt einen die Suchmaschine zu einem großen Teil von der Nordsee weg: zuerst von Esbjerg über die Autobahn quer durch Jütland hinüber nach Kolding, dann über die Ostküsten–Autobahn E 45/A 7 bis Flensburg. Von dort geht es über die gut ausgebaute B 200 nach Husum und erst da für den Rest auf die B 5. Macht zwar insgesamt 237 Kilometer anstelle von nur 180, die es über die Straße direkt entlang der Westküste sind – aber nur zwei Stunden und 38 Minuten statt zwei Stunden und 58 Minuten komplett über A 11 und B 5.
Die Industrie- und Handelskammer, die Wirtschaftsförder–Organisation Entwicklungsrat Sønderjylland, der private Verein „Infrastruktur Vestkysten/Vestkysten“ und Tourismusverbände fordern – mit wissenschaftlichen Gutachten unterlegt – seit mehr als zehn Jahren einen Ausbau der Route. Politik und Verwaltung sind trotz vieler Gedankenspiele noch immer ein gutes Stück von einem ersten Spatenstich entfernt. Soweit sich bei dem Schneckentempo überhaupt von einem Wettbewerb sprechen lässt, sieht es derzeit so aus, als wären die Dänen mit einer Umgehungsstraße für Ribe einen Tick dichter dran an einem Sprung nach vorn als die Deutschen. Spannender noch und unabhängig von der Umgehungsstraße für Ribe: Für den Fernverkehr könnte in Dänemark nach jüngsten politischen Debatten eine ganz große Lösung herauskommen – anstelle von Stückwerk, wie es in Deutschland mühsam heranreift.
In Schleswig–Holstein basteln die Planer des Landesbetriebs Straßenbau und Verkehr an zwei Projekten: an einer zweispurigen Ortsumgehung von Hattstedt nach Bredstedt und an einer dritten Spur zwischen Tönning und Husum. Sie soll wechselweise mal in der einen, mal in der anderen Fahrtrichtung als Überholspur zur Verfügung stehen. Es handelt sich um den kurvenreichsten und am langsamsten zu befahrenden Abschnitt an der gesamten Westküste, zudem um die unfallträchtigste Strecke in ganz Schleswig–Holstein. Allein 2014 kamen dort bei sechs Unfällen sieben Menschen ums Leben.
Am weitesten fortgeschritten war eigentlich die neue Trasse zwischen Hattstedt und Bredstedt: Das Planfeststellungsverfahren war fertig – durchläuft aber derzeit nach einem Gerichtsurteil zum Ausbau der A 20 bei Bad Segeberg eine Änderung. Denn nach dem Spruch der Juristen dürfen Biotope nicht aufgrund von Schätzungen kartiert werden, sondern bedürfen einzelner Zählungen im jeweiligen Straßenbaugebiet. Derzeit werden deshalb in Nordfriesland Fledermäuse und Brutvögel erfasst. Das Kieler Verkehrsministerium schätzt, dass das Änderungsverfahren 2016 abgeschlossen ist. Weil man sich danach auf Gerichtsverfahren einrichtet, nennt das Land keinen belastbaren Termin für einen Baubeginn. Die Bauzeit wird von Experten auf drei bis vier Jahre geschätzt, die Kosten auf etwa 54 Millionen Euro.
Der dreispurige Ausbau zwischen Tönning und Husum ist in vier Abschnitte unterteilt. Für den ersten und südlichsten erwartet das Verkehrsministerium den Planfeststellungsbeschluss 2016. Alle anderen Abschnitte befinden sich noch im Entwurfsstadium. Alle vier zusammengenommen, wird mit zehn Jahren Bauzeit gerechnet.
Sehen, dass es für den Westküstenverkehr besser wird, können Autofahrer derzeit lediglich im südlichen Teil Schleswig–Holsteins: Dort schließen Baumaschinen bis Ende dieses Jahres rund um Itzehoe inklusive einer neuen Brücke über die Stör die Lücke in der Autobahn 23. Der Westküstenfernverkehr bis Hamburg und weiter profitiert davon.
Die Umweltverträglichkeitsprüfung für eine Umgehungsstraße für Ribe soll Mitte dieses Jahres fertig sein, der eigentliche Baubeschluss spätestens im Lauf von 2016 fallen. Dann wird eine Einweihung der 2+1-Straße 2020 für möglich gehalten. Maximal wird dieser Abschnitt rund elf Kilometer lang, vielleicht auch nur knapp sieben – je nachdem, für welchen von zwei Trassenvorschlägen sich die Politik entscheidet.
Für ein weiteres Upgrade der A 11 hat das Vejdirektorat, die oberste dänische Straßenbehörde, 2012 eine Voruntersuchung vorgelegt. Politische Beschlüsse gibt es dazu nicht. In die Diskussion bringt die Studie Umgehungsstraßen auch für das Dorf Abild nördlich von Tondern sowie Skaerbaek, ein Landstädtchen, das an der Abzweigung nach Röm von der A 11 liegt. Um Kreuzungen mit Querstraßen zu vermeiden, schlägt das Gutachten zudem auf längeren Abschnitten der A 11 eine neue Trassenführung vor: von nördlich Tondern bis Skaerbaek über etwa 20 Kilometer, zwischen Ribe und Skaerbaek über 17 Kilometer und kurz vor Esbjerg zwischen Bramming und der Autobahn Esbjerg–Kolding über fünf Kilometer.
Die Rufe nach einer Verwirklichung werden jedoch leiser, seitdem die Hoffnung auf eine viel größere Lösung sprießt: ein Autobahnanschluss aus Richtung Nordost erscheint nicht mehr reine Utopie. Denn die Idee einer Autobahn quer über den jütländischen Mittelrücken aus dem Raum Viborg über Billund und weiter nach Süden bekommt immer mehr Anhänger. Am wahrscheinlichsten ist ein Bau zunächst im mittleren Jütland.
Im vergangenen Jahr hat sich der Sprecher der größten bürgerlichen und möglicherweise baldigen Regierungspartei in Dänemark, Kristian Pihl Lorentzen, zu dieser Vision bekannt, Anhänger in weiteren Parteien gewonnen und auch eine Verlängerung bis zur deutsch–dänischen Grenze ins Gespräch gebracht. Fertig wäre ein alternativer Strang zur bestehenden, zunehmend überlasteten Autobahn Hamburg–Flensburg–Kolding und weiter entlang die jütländische Ostseeküste hinauf.
Nicht zuletzt die Krise um die marode Rader Hochbrücke entlang der A 7 hat die Frage nach einem parallelen schnellen Straßenstrang durch Jütland und Schleswig–Holstein aufgeworfen. Er ließe sich dereinst mit einer westlichen Elbquerung im Zuge der A 20 verbinden, um einen Großteil des Fernverkehrs um Hamburg herumzuleiten.
Meinungsumfragen legen derzeit einen Machtwechsel zu Venstre spätestens im Herbst nahe. Pihl Lorentzen möchte die neue Hochgeschwindigkeitsstrecke etappenweise über zehn bis 15 Jahre fertigstellen. Die Kosten schätzt er auf grob 20 Milliarden Kronen (etwa 2,8 Milliarden Euro).
Keine Frage: Bis zu einem Beschluss haben die Befürworter – zumal für eine Verlängerung bis zur Grenze – noch viel Überzeugungsarbeit vor sich. Aber ebenso sicher ist: Eine neue Dynamik in die Debatte über den Ausbau der Westküsten–Achse bringt die Idee zweifellos. Nicht zuletzt auch darüber, ob man einen solchen Autobahnverkehr dann im Kreis Nordfriesland allein mit den bisher bestehenden Plänen weiterleiten möchte.