Die Polizei und die Risiko-Piste

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Um die B5 sicherer zu machen, arbeiten Landesbehörden eng zusammen – Hauptkommissar Jörg Addix gibt Einblick in die Praxis

Die Bundesstraße 5 gilt als wichtigste Verkehrsader Nordfrieslands – und als gefährlichste. Immer wieder ereignen sich hier schwere Unfälle – nicht wenige mit tödlichem Ausgang. Warum passiert hier so viel? Wie kann man die Strecke sicherer machen? Fragen wie diesen gehen wir auf den Grund. In unserer neuen Serie Risiko-Piste B 5 kommen Unfallopfer, Polizisten, Rettungsassistenten und Verkehrs-Experten zu Wort.

Tönning/Husum

Das Prädikat „Lebensader der Westküste“ kommt schließlich nicht von ungefähr: 2015 zählte der Flensburger Landesbetrieb Straßenbau und Verkehr auf der kürzesten Verbindung zwischen Tönning und der Kreisstadt Husum im Tagesdurchschnitt knapp 12 300 Kraftfahrzeuge – hochgerechnet aufs Jahr sind das viereinhalb Millionen. Damit ist die Bundesstraße 5 bei Weitem die verkehrsträchtigste Strecke in Nordfriesland.

Einer, der dort ebenfalls regelmäßig herumfährt, ist Jörg Addix, Hauptkommissar vom Polizei-Autobahn- und Bezirksrevier Nord in Schuby. Dessen Job in der Abteilung Allgemeine Verkehrsangelegenheiten bringt es mit sich, dass die B 5 in seinen Zuständigkeitsbereich fällt. Die Grundlage liefert der Paragraf 44 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung: „Zur Bekämpfung der Verkehrsunfälle haben Straßenverkehrsbehörde, Straßenbaubehörde und Polizei eng zusammenzuarbeiten, um zu ermitteln, wo sich die Unfälle häufen, worauf diese zurückzuführen sind, und welche Maßnahmen ergriffen werden müssen, um unfallbegünstigende Besonderheiten zu beseitigen“, heißt es darin. Im Klartext: Bevor die Verkehrsabteilung beim Kreis Nordfriesland für das 24 Kilometer lange Teilstück der B 5 zwischen Tönning und Husum eine Entscheidung trifft, hat sie ihre Partner anzuhören: die Polizei und die für den Straßenbaulastträger zuständige Straßenmeisterei Husum, die zur Flensburger Niederlassung des Landesbetriebes Straßenbau und Verkehr gehört.

„Wir sprechen uns täglich ab – entweder telefonisch, schriftlich oder persönlich“, berichtet Addix aus der Praxis. „Aus meiner Sicht ist die Zusammenarbeit mit der Verkehrsabteilung beim Kreis vorbildlich, weil wir alle Themen zeitnah bearbeiten und dabei Wert darauf legen, dies vor Ort zu tun.“ Die Polizei liefert in erster Linie die Unfallzahlen und gibt eine rechtliche Stellungnahme zu beabsichtigten Anordnungen der Verkehrsbehörde ab.

Ein Blick in die jüngsten Statistiken: Zwischen Tönning und Husum ereigneten sich 2014 insgesamt 57 Unfälle. Dabei gab es vier Todesopfer zu beklagen; 35 Menschen wurden verletzt, zwölf davon schwer. Die Bilanz 2015: 73 Verkehrsunfälle, ein Toter, elf Schwer- und 48 weitere Verletzte. In diesem Jahr krachte es bis Juli 15 Mal – dabei wurden 19 Verkehrsteilnehmer verletzt, fünf davon schwer. Was die zwei Jahre zurückliegenden Unfälle mit Todesfolge angeht, so hat die Polizei folgende Ursachen ausgemacht: Rechtsfahrgebot nicht eingehalten (Friedrichstädter Chaussee), überholt (Bütteleck), überhöhte Geschwindigkeit (zwischen Platenhörn und Voßkuhle), falsche Fahrbahn benutzt / in den Gegenverkehr geraten (nördlich der Voßkuhle). Im Vorjahr, als bei Bütteleck ein 19-jähriger Beifahrer ums Leben kam, wurde ein Geschwindigkeits- beziehungsweise Abstandsverbot in Betracht gezogen.

Mit Blick auf die B 5 arbeiten Landesbehörden und Polizei laut Addix „besonders sensibel, weil es aufgrund der Gesamtumstände angebracht ist“. Sobald sich ein schwerer oder gar tödlicher Unfall ereigne, „tauschen wir uns sofort aus und nehmen die Örtlichkeit in Augenschein“. Dort werden dann jeweils alle denkbaren Aspekte beleuchtet und beurteilt, so der Hauptkommissar: zum Beispiel der Zustand der Fahrbahn, die Beschilderung, Sichtweiten oder der Straßenverlauf. Dazu haben Landesbehörden und Polizei eigens die gemeinsame „Richtlinie für die örtliche Untersuchung von Unfällen im Straßenverkehr“ festgelegt.

Ein Resultat dieser Vorgehensweise zeigt sich zum Beispiel im Bereich der Abfahrt nach Friedrichstadt in Fahrtrichtung Süden. Nach der Umgestaltung der Zufahrt zur Bundesstraße 202 verpasste dort der eine oder andere Autofahrer zu viel die neu geschaffene Abbiegespur. Was nicht selten dazu führte, dass – auf der Suche nach der nächsten Möglichkeit, links abzubiegen – unvermittelt gebremst wurde. Erhöhte Unfallgefahr! „Wir haben daraufhin Anfang 2015 die wegweisende Beschilderung nachgebessert und die Geschwindigkeitsbegrenzung auf 70 Stundenkilometer (km/h) 100 Meter über die Einmündung hinausgezogen“, erklärt dazu Georg Gemkow von der Verkehrsbehörde des Kreises.

Zweites Beispiel: die Jans-Kurve, in der Vergangenheit immer wieder ein unfallträchtiger Brennpunkt im Verkehrsgeschehen zwischen Tönning und Husum. Dass auch dort heute ein Tempolimit von 70 km/h gilt und rot-weiße Gefahren-Markierungen am Straßenrand stehen, geht auf eine Initiative des Kreis-Rettungsdienstes zurück. Jörg Addix nimmt den berüchtigten Streckenabschnitt bei Oldenswort regelmäßig in Augenschein. „Wir sind dort immer wieder hingefahren – die Jans-Kurve ist so weit es geht ausgeregelt, das Maximum an Machbarem erreicht“, sagt der Polizist. Wenn Kurventafeln, Leitplanken und Geschwindigkeitsbegrenzungen an dieser Stelle nicht ausreichten, komme immer der „unberechenbare Faktor Mensch“ ins Spiel.

Quelle:

shz / Husumer Nachrichten vom 03.08.2016 / Text: Lars Peters