Bürgerliches Politik-Bündnis für eine zweite Achse durch Jütland / Lückenschluss an der schleswig-holsteinischen Westküste ungewiss
Kopenhagen Eine zweite Autobahn in Nord-Süd-Richtung durch die Mitte Jütlands bis an die Grenze: Dieser Plan könnte nach einem Machtwechsel in Dänemark ganz oben auf der Tagesordnung landen. Laut Meinungsumfragen deutet derzeit alles darauf hin, dass die sozialdemokratische Ministerpräsidentin Helle Thorning-Schmidt spätestens im nächsten Herbst die Regierungsgeschäfte der rechtsliberalen Partei Venstre überlassen muss. Und deren verkehrspolitischer Sprecher Kristian Pihl Lorentzen hat nun gegenüber der Tageszeitung „Jyllands-Posten“ angekündigt, eine Autobahn auf den Spuren des mittelalterlichen Ochsenwegs verwirklichen zu wollen.
Damit die Magistrale nicht im Nirwana endet, spekuliert Pihl Lorentzen darauf, dass die Deutschen den Dänen entgegenbauen: Irgendwo zwischen Tondern und Tingleff, so die in dem Zeitungsbericht geäußerte Erwartung, solle sich die dänische Ochsenweg-Autobahn an der Grenze mit einer von Heide in Dithmarschen nach Norden verlängerten A 23 treffen. Fertig wäre ein alternativer Strang zur bestehenden, zunehmend überlasteten Autobahn Hamburg-Flensburg-Kolding und weiter entlang die jütländische Ostseeküste hinauf. Den nördlichsten Punkt der Ochsenweg-Trasse stellt sich Pihl Lorentzen in Viborg vor. Von dort soll die Achse dann über rund 200 Kilometer vertikal über Billund gen Süden und weiter zur Grenze verlaufen. Der Politiker greift damit unverbindliche Vorstudien auf, die die oberste Verkehrsbehörde des Landes, das Vejdirektorat, unlängst vorgelegt hat. Darin tauchen für den südlichen Abschnitt zwei Varianten auf: die nun in den Vordergrund gerückte Linie bis an die Grenze oder eine Verbindung der Ochsenweg-Route mit der existierenden Autobahn E 45 bei Hadersleben. Damit wäre zumindest der Engpass im Raum Kolding umschifft.
Pihl Lorentzen möchte die neue Hochgeschwindigkeitsstrecke etappenweise über zehn bis 15 Jahre fertig stellen. Die Kosten schätzt er auf grob 20 Milliarden Kronen (rund 2,8 Milliarden Euro). Der Politiker spricht von einer „Wachstums-Autobahn“. Sie werde Ansiedlungen fördern und den zügigen Export der vor allem in Jütland produzierten dänischen Waren gen Zentraleuropa sicherstellen. Zwar räumt der Rechtsliberale ein, „dass die 20 Milliarden nicht hier und jetzt auf dem Tisch liegen“. Er will jedoch bis 2020 Baureife herstellen und bringt für die Finanzierung einen neuen Infrastrukturfonds ab jenem Jahr ins Spiel. Dann läuft der bisherige Fonds aus, und es müsse ohnehin eine Entscheidung über künftige Verkehrs-Investitionen her. Auch der sozialdemokratische Verkehrsminister Magnus Heunicke hatte früher eine Ochsenweg-Autobahn grundsätzlich als eine „vernünftige gesellschaftliche Investition“ bezeichnet. Als fraktionsübergreifender Konsens in der dänischen Politik gilt, dass ohne eine neue mitteljütische Autobahn die E 45 entlang der Ostseeküste verbreitert werden müsste. Größtenteils ist die heute in jede Richtung nur zweispurig. Der verkehrspolitische Sprecher des voraussichtlichen konservativen Koalitionspartners von Venstre, Mike Legarth, warnt bei einer Verbreiterung der E 45 jedoch vor „enormen Staus“. Legarth: „Dann ist es besser, eine Parallel-Autobahn zu bauen.“
Auch die Dänische Volkspartei und die Liberale Allianz signalisierten Zustimmung zu Pihl Lorentzens Vorstoß. Was einen Lückenschluss aus Richtung Deutschland betrifft, äußert sich keiner so offensiv wie Legarth: „Die Deutschen sind sehr zurückhaltend. Nun müssen wir sie an den Trog bekommen. Wir befinden uns einem Dialog und müssen weiter Druck auf Deutschland aufbauen“, zitiert ihn die süddänische Regionalzeitung „Jydske Vestkysten“. Gegenüber dem Blatt äußern mehrere Akteure aus Politik und Wirtschaft im grenznahen Bereich Begeisterung über die Autobahnpläne. Der Bogen reicht von Süddänemarks Regionsvorsitzendem Carl Holst über Tonderns Bürgermeister Laurids Rudebeck und den Entwicklungsrat Sønderjylland bis zur sozialdemokratischen Apenrader Folketings-Abgeordneten Anne Sina. Sie gehört auch dem Verkehrsausschuss an. „Wir sollten anfangen – und dann motiviert das hoffentlich die Deutschen“, meint Sina. Im Kieler Verkehrsministerium bleibt man angesichts der Rader Hochbrücke, des Weiterbaus der A 20 und der Hinterlandanbindung am Fehmarnbelt äußerst reserviert. Staatssekretär Frank Nägele (SPD): „Eine Verlängerung der A 23 in Richtung dänische Grenze gehört in eine ferne Zukunft – wenn überhaupt.“
Quelle:
shz / Husumer Nachrichten vom 02.12.2014 / Text: Frank Jung / Grafik: shz