Längst ist Nordfriesland ein Teil der globalen Märkte. Heizkessel und Windkraftanlagen werden in teils spektakulären Aktionen über die Straße abtransportiert oder ins Ausland verschifft. Doch darüber hinaus gibt es eine Fülle weiterer Dienstleistungen und Produkte, die in andere Bundesländer, ins europäische Ausland oder auf andere Kontinente verschickt werden. Spätestens seit der Brexit–Entscheidung stellt sich zudem die Frage, welche Unternehmen eigentlich exportabhängig sind und ob sie sich auf Veränderungen einstellen müssen.
Landesweit hatte die Industrie- und Handelskammer Flensburg erkundet, dass die Hälfte von 45 befragten Unternehmen Geschäftsbeziehungen zu Großbritannien pflegt. Die betroffenen Firmen sehen eher Probleme für die Briten selbst als für sich voraus. Eine deutliche Mehrheit erwartet eine gleichbleibende Exportquote während und nach den zweijährigen Austrittsverhandlungen, ein Drittel ahnt aber, dass ihre Exporte ins Königreich zurückgehen werden.
Nordfriesland ist eindeutig Exportland. Das ist das Ergebnis von Recherchen unserer Zeitung bei etlichen hiesigen Unternehmen. Das fängt beim Stromexport nach Süddeutschland an und hört mit den Lieferungen von Starterkulturen für die Milch- und Fleischindustrie noch lange nicht auf. Antriebe für Garagentore, Sicherungssysteme für den Verkehr, Kondensatoren für die Elektronikindustrie, Lamm- und Rindfleisch, Weidezäune – all dies sind Stichworte aus der Liste der Produkte, die ausgeführt werden. Zählen wir noch die täglichen Fahrten von Handwerkern in andere Bundesländer hinzu, wird klar, dass hier ansässige Firmen ihr Geld in hohem Maße „draußen“ verdienen. Schließlich leben auch noch die Tourismuswirtschaft, die Gastronomie und der Handel zu beachtlichen Teilen von der Nachfrage aus anderen Bundesländern oder dem benachbarten Ausland. Selbst der Transport von Bauteilen per Helikopter zu den Offshore–Windparks stellt rechtlich Export dar, denn die liegen zumeist jenseits der Zwölf–Meilen–Seegrenze.
Über seine Produktionsstätte Danisco in Niebüll liefert der in Hessen ansässige Konzern Dupont Zusatzstoffe für Lebensmittel aus. Diese enthalten jedes zweite Eis, jeder dritte Käse und jedes vierte Brot auf der Welt, so das Unternehmen. Starterkulturen für die Milch- und Fleischindustrie gehen nach Auskunft von Stefan Weber in der Abteilung für Konzernkommunikation zu 76 Prozent ins europäische Ausland, nach Amerika (13 Prozent), nach Asien (10) und Afrika (2). Auswirkungen durch den Brexit habe es bislang keine gegeben.
Weltweit agiert die Firma Schmidt Im- und Export, was derem eher unscheinbaren Gebäudekomplex im Gewerbegebiet Süderlügum kaum anzusehen ist. Doch wer einen Blick hinter die Kulissen werfen kann, kommt aus dem Staunen nicht heraus. Die Firma mit 45 Mitarbeitern ist ein beachtlicher Umschlagplatz für die Waren namhafter dänischer und deutscher Marken. Süßwaren, Spirituosen, Getränke und Non–Food–Artikel werden in fast alle Regionen Europas sowie in arabische Länder und Fernost geliefert. Chinesen ordern original dänische Butterkekse – und legen dabei besonderen Wert auf die kleinen rot–weißen Fähnchen. Und Nutella geht von Ferrero in Frankfurt über Süderlügum in den deutschen Markt, ebenso wie ins europäische Ausland oder auf andere Kontinente. Batterien, Drogerieartikel und Süßwaren werden von den Briten bestellt, aber der Markt sei wegen des schwachen Pfundes inzwischen unbedeutend geworden. „Doch wenn sich ein Tor schließt, öffnet sich wieder ein anderes“, beschreibt die geschäftsführende Gesellschafterin Marieta Schmidt den Markt. Der werde täglich genau beobachtet, oft entscheiden Cent–Beträge über den Erfolg mit einem Produkt. So zählen Plattformen wie idealo.de im Internet zu den wichtigsten Börsen, die schnell klar machen, ob ein Deal Sinn macht. Ähnliche gebe es im arabischen Raum, die man sich wie einen Handelsplatz vorstellen müsse, auf denen Angebot und Nachfrage aufeinander treffen.
Blumen, Tannenbäume, Elektrogeräte – mit diesem Sortiment hatten Marieta Schmidt und ihr Mann Dieter vor rund 30 Jahren im lokalen Grenzhandel begonnen. Als sie sich in Süderlügum niederließen, waren sie vielbestaunte Pioniere, weil sich keiner vorstellen konnte, dass sich Dänen dorthin verirren. Doch schon bald bedienten sie nicht mehr Endverbraucher, sondern bauten ihren internationalen Handel auf, der heute auf einen Jahresumsatz „im höheren zweistelligen Millionenbereich“ geklettert ist, wie Geschäftsführer Sören Matthiesen berichtet.
Er ist als Mitgesellschafter nach dem Tod von Dieter Schmidt eingestiegen, weil er als Angestellter den Gründer noch gut kennen und schätzen gelernt hatte und spürt, dass er genau wie Schmidt Kaufmannsblut in den Adern hat. Und wie sorgsame Kaufleute legen Marieta Schmidt und Sören Matthiesen großen Wert darauf, dass alle Waren bei ihnen über den Hof gehen, dort auf ihre Qualität geprüft und in vielen Fällen sogar entsprechend den Vorschriften der Zielländer umetikettiert werden.
Die Husumer Firma Wulff–Umag liefert in erster Linie Industriekesselanlagen zur Dampf- oder Heißwasser–Erzeugung aus, die in kleineren und mittleren Industriebetrieben zum Einsatz kommen. Vielfach tritt die Firma dabei als Generalunternehmer auf, der den kompletten Anlagenbau ausführt bis zur schlüsselfertigen Übergabe an den Kunden – also Leistungen am Aufstellort, wie Montage, Isolierung, Verrohrungen und die Installation der Elektrik.
Grob gerechnet liefert Wulff–Umag über Jahre die Hälfte seiner Produkte an Firmen in der Bundesrepublik, die andere ins europäische Ausland – im Wesentlichen nach England und Irland, in die Benelux–Länder, nach Osteuropa und einzelne Anlagen in den Mittelmeerraum. „Alle paar Jahre kommt auch eine Lieferung in außereuropäische Länder zustande, etwa im Nahen Osten“, teilt Dipl.-Ing. Hartwig Cardell aus der Abteilung Vertrieb Kesseltechnik mit. Halbe–halbe verteile sich auch der Wert der Exporte in Euro aufs In- und Auslandsgeschäft, wobei dies von Jahr zu Jahr auch stark schwanken könne, denn das Unternehmen wickelt im wesentlichen große Einzelobjekte ab, deren Fertigung sich teilweise über ein bis zwei Jahre streckt.
Die Abstimmung über den Brexit habe bisher noch keine konkreten Auswirkungen auf das Geschäft bei Wulff–Umag gehabt. „Und wir erwarten auch keine großen Veränderungen“, betont Hartwig Cardell. Für die Firmen- Produkte gebe es kaum Wettbewerb in England, der durch die neue Situation, etwa Änderungen im Wechselkurs, nun gestärkt wäre. Unabhängig vom Brexit sei das Investitionsverhalten der Briten „schon seit einiger Zeit relativ schwach“. Stärker Fuß fassen möchte das Husumer Unternehmen in Osteuropa, speziell in Russland, weil es dort einen über viele Jahre angehäuften Investitionsstau gebe. „Auch in Nahost sehen wir Möglichkeiten, dennoch wird unser Hauptgeschäft nach wie vor in den angestammten Märkten zu finden sein.“
Selbstverständlich zählt auch die nordfriesische Landwirtschaft zu den bedeutenden Exporteuren. Unter anderem hier geschlachtete Rinder und Schweine werden ins Ausland verkauft. Über den Husumer Hafen wird Getreide exportiert. Das Nordfriesische Lammkontor etwa liefert seine geschützten Marken Salzfriesenlamm, Deichlamm und Nordfriesisches Weiderind als einer der zentralen Vermarkter nach Frankreich, Dänemark, in die Niederlande und die Schweiz. Die Gourmets in Frankreich zählen dabei zu den wichtigsten Nachfragern. In das Land gehen 85 Prozent aller Exporte. In Österreich, Dänemark, der Schweiz und den Niederlanden verstärkt das Lammkontor nach Auskunft von Inhaber Sönke Magnus Müller seine Absatzbemühungen.
shz/ Sylter Rundschau/ 21. Dezember 2016, Text: Birger Bahlo, Fotos: Bahlo, Schmidt